Bist du noch normal?
Wenn mein Mann auf Bitte nach Rückmeldung zu meinem Outfit sagt: "Ganz normal", gehe ich postwendend zurück zum Kleiderschrank, um meine Auswahl noch einmal gründlich zu überdenken. "Ganz normal" klingt nicht nach der besten Option. Und die möchten wir schließlich sowohl für Andere sein als auch für uns selbst in Anspruch nehmen - nicht nur optisch. Der Job, die Familie, die Wohnung, der Urlaub, das Essen - die Liste ist endlos.
Wir ignorieren - oder haben vergessen - , dass das Beste, das Ideal, in erster Linie zur Orientierung dienen sollte. Es sollte dabei helfen zu bewerten, ein Maß zu finden - aber auch dabei, sich abzugrenzen. Abgrenzung, Maßhalten und Normalität - Begriffe, die scheinbar nicht in eine Welt passen, in der nahezu alles geht und schier unendliche Möglichkeiten genutzt werden könnten. Aber was macht diese Jagd nach der besten Option, die allgegenwärtige Optimierungsspirale mit uns... (erschienen in der RNZ)
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Gut gezwitschert
Singapur, Stadtteil Ang Mo Kio, früher Sonntagmorgen. Eine große Rasenfläche inmitten der Hochhausblocks ist heute die Bühne für ein musikalisches Ereignis: einen Singvogelwettbewerb. Nichts Ungewöhnliches in Singapur,denn Vögel,vor allem Singvögel, sind die Lieblingshaustiere der Singapurer. Das liegt möglicherweise auch daran, dass ihnen Glück bringende Eigenschaften zugesprochen werden: sie sollen die Ehe festigen und ihr angenehmer Gesang ein langes Leben herbeilocken. In vielen Fällen sind die gefiederten Haustiere aber noch weit mehr als freundliche Mitbewohner und Glücksbringer: sie sind Meistersinger. Auf dem Singplatz in Ang Mo Kio ist eine beachtliche Zahl an hohen Pfählen installiert: kurz vor Sonnenaufgang werden die – häufig aufwendig dekorierten Käfige mit den Singvögeln wie Fahnen am Mast hochgezogen, bis sie schließlich sechs Meter über dem Boden schweben. Nun kann das große Zwitschern beginnen... (erschienen in der RNZ)
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Feuer und Leidenschaft
Gepunktete Rüschenkleider, klappernde Absätze, Kastagnetten und Gitarrenmusik – das ist Flamenco. Und dennoch viel mehr als ein Tanz mit Feuer, Intimität und einer großen Portion Leidenschaft. (...)
Der Flamenco lebt an unerwarteter Stelle: Im Mannheimer Gewerbegebiet Casterfeld hat ein Tanzstudio sein Domizil; es ist ein vom Lehrstuhl für Flamencotanz der Universität Granada anerkanntes Lehrinstitut, das einzige in Deutschland. Hier werden Schülerinnen zu Profi-Tänzerinnen ausgebildet. Derzeit sind es acht, die das anspruchsvolle Programm „Cátedra de Flamenco Mariquilla“ – so der offizielle Name – absolvieren.Die Schülerinnern, die aus verschiedenen Städten Deutschlands und der Schweiz kommen, arbeiten fast alle Vollzeit in ihrem Hauptberuf. Die zusätzliche Berufsausbildung verlangt einiges an Einsatz und Disziplin, denn die Cátedra ist nicht für Hobbytänzer gedacht, sondern will den Absolventen ermöglichen, Flamencotanz als Beruf auszuüben, sei es auf der Bühne oder als Dozentin... (erschienen in der RNZ)
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Sehr zum Wohle?
Wir wollen Ihnen nicht den Appetit aufs abendliche Glas Wein oder Bier verderben, aber eine Medizinerweisheit sagt: „Bacchus hat mehr Menschen ertränkt als
Neptun.“ Gehen wir falsch mit Alkohol um? (...)
Was Alkoholsucht mit einem Leben anstellen kann, erzählt mir Marie – so werde ich sie hier aus Gründen der Anonymität nennen. Ich besuche sie zu Hause: eine gepflegte Wohnung, Orchideen auf der Fensterbank, farbenfrohe Bilder an den Wänden. Marie ist Ende vierzig, eine attraktive Frau,die offensichtlich Wert auf ihr Äußeres legt. Sieben Monate und zehn Tage ist sie am Tag unseres Gesprächs nach jahrzehntelanger Abhängigkeit trocken. Mittlerweile fällt es ihr nicht mehr schwer, über ihre Sucht und die Tiefpunkte ihres Lebens zu sprechen, denn „vielleicht können meine Erfahrungen ja irgendjemandem weiterhelfen.“ ...
(erschienen in der RNZ)
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Keine Tüte
„Kommt nicht in die Tüte!“ sagt Anna Wahala – und verkauft Lebensmittel nur ohne Verpackung. Damit will sie einen Schritt weg vom traurigen Abfallrekord, den die Deutschen in der EU halten: 213 Kilogramm Verpackungsmüll pro Jahr pro Kopf. Zu „Annas Unverpacktes“ im Heidelberger Stadtteil Neuenheim bringen die Kunden die passenden Behälter selber mit. Oder sie kaufen Weckgläser und Gefäße aus nachwachsenden Rohstoffen. Praktisch ist das Konzept für kleine Haushalte oder Experimente am Herd, denn es gibt keine Mindestabnahmemenge. Eine Prise von diesem Gewürz, eine Handvoll von jenem Getreide oder fünf Schokolinsen? Anna macht‘s möglich – in Bio-Qualität. (erschienen in metropolitan Inside).
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Freunde der Finsternis
Noire Mari und das schwarze Lebensgefühl / Was hat es mit der Gothic-Szene auf sich?
Nachdem wir telefonisch einen Treffpunkt für unser Gespräch verabredet haben, verabschiedet sich Mari mit den Worten: „Sie werden mich auf keinen Fall nicht erkennen.“ Damit behält er Recht. Noire Mari ist pünktlich. Einige Minuten vor der vereinbarten Zeit trifft er am Café in der Heidelberger Altstadt ein – nicht unbemerkt. Mit Zylinder und Gehstock, schwarzem Brokatgehrock und seitlich geschnürten Hosen, die in schweren Stiefeln stecken, ist er nicht gerade eine unauffällige Erscheinung. Sein Händedruck ist fest, sein Auftreten freundlich. „Wir können uns bei dem schönen Wetter gerne nach draußen setzten“, antwortet er auf meine Frage und entkräftet so gleich ein Vorurteil: „Goths“ – so werden die Anhänger der Gothic Kultur genannt – halten sich offensichtlich doch bei Tageslicht im Freien auf... (erschienen in der RNZ)
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Pure Freude
Die Kraft der inneren Bilder
Mit der Hand in das satte Grün, Blau, Rot oder Gelb eintauchen, die weiche Geschmeidigkeit der Farbe auf der Haut spüren. Dann die Farbe mit den Fingern auf das noch weiße Papier auftragen: ein ungewohntes aber angenehmes Gefühl. So hat man wahrscheinlich zuletzt als Kind gemalt - mit Fingerfarben auf Fensterscheiben. Aber das hier ist etwas anderes: Kunsttherapie, genauer gesagt: Begleitetes Malen. "Sich ein Bild machen, sich etwas ausmalen wollen - oder lieber nicht: solche Redewendungen zeigen, dass Bilder unser Denken und Fühlen bestimmen. Und manchmal kommen durch das Malen sogar Dinge zum Vorschein, die wir nie zu sagen wagten." Worte der Schweizer Kunsttherapeutin Bettina Egger, die das sogenannte Begleitete Malen als eigenständige kunsttherapeutische Methode entwickelt hat... (erschienen in der RNZ)
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Alter, was geht?
Weniger jüngere, immer mehr ältere Menschen. Mit dem demografischen Wandel ändert sich auch das Bild vom Alter: es wird nicht mehr ausschließlich mit Lebensabend und Ruhestand gleichgesetzt, sondern kann und soll auf vielfältige Weise aktiv gestaltet werden.
Liesel ist am Telefon. "Seitdem ich in Deutschland bin, soll ich plötzlich alt sein!" ruft sie genervt in den Hörer. Liesel ist eine Freundin von mir, im sogenannten dritten Lebensalter (60-85 Jahre), damit knapp dreißig Jahre älter als ich und ihre Biographie liest sich spannend wie ein Roman. Sie und ihr Mann Werner sind in den siebziger Jahren ins Ausland gegangen, haben in Papua-Neuguinea, Australien und Asien gelebt und gearbeitet. Erst mit dem Ruhestand zogen sie zurück in die alte Heimat Deutschland. Und hier waren sie zum ersten Mal auch das, was sie unterwegs nie gewesen sind: Senioren. Der Austausch der Generationen war, vor allem in der oft zahlenmäßig übersichtlichen Gemeinschaft der "Ausländer im Ausland", für Liesel und Werner eine Selbstverständlichkeit; hier entstanden Freundschaften wie unsere, die gemeinsame Erfahrungen über ein gemeinsames Lebensalter stellten... (erschienen in der RNZ)
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Feilen fürs Eheglück
Wenn es um lebenslängliche Entscheidungen geht, ist man, so das Sprichwort, am liebsten des eigenen Glückes Schmied. Das gilt auch für Trauringe: Der Trend geht zum Selbermachen, und so greifen viele Brautpaare inzwischen beherzt zum Werkzeug.(...)
Ringe haben schon seit langer Zeit neben ihrem materiellen Wert auch eine symbolische Bedeutung. Sie können für Macht und Würde stehen, und bereits im Hochmittelalter – wahrscheinlich sogar schon in der Antike–galten sie außerdem als Zeichen der Liebe und Treue bei der Eheschließung. Bis heute ist der Trauring aufgrund seiner Symbolik ein ganz besonderes Schmuckstück und vielleicht das einzige, das täglich und über Jahrzehnte hinweg getragen wird. Um diesem besonderen Status gerecht zu werden, designen und schmieden viele Brautpaare heutzutage ihre Ringe selber. So auch Stefanie „noch Schöley“ und Uwe Schimpf aus Heidelberg. Die beiden sind seit fünf Jahren ein Paar, heiraten werden sie im September. Der Vorschlag, die Trauringe selber zu schmieden, kam vom Bräutigam. Auf der Mannheimer Hochzeitsmesse, die das Paar besuchte, um sich Anregungen für sein Fest zu holen, waren auch einige Aussteller, die Schmiedekurse anboten. Uwe Schimpf war von dieser Möglichkeit gleich begeistert. „Ich bin nicht gerade ein Schmuckträger“, sagt er ... (erschienen in der RNZ)
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"Ich liebe diesen Tanz"
Tänze aus den 1920er Jahren boomen in Deutschland. Was macht Swing so attraktiv und wie sieht die Szene in Heidelberg aus? (...)
Heute Abend habe ich ein Date mit Jewel. Unser Treffpunkt: die Räumlichkeiten des Heidelberger Stadtteilvereins Bergheim, gleich neben der Musikschule. Als ich in die Einfahrt biege, sehe ich schon hinten links ein helles Rechteck aus Licht auf dem Pflaster. Beim Näherkommen stelle ich fest, dass die Glasscheiben in der Tür und die Fenster nach draußen beschlagen sind, von drinnen höre ich Jazzklänge und Gelächter. Ja, hier bin ich richtig. „Jewel“ – so heißt der Fortgeschrittenenkurs im „Lindy Hop“ der Tanzschule Swingstep: eine Reminiszenz an die Tänzerin Jewel McGowan, die in der Szene bis heute als eine der besten Swing Tänzerinnen überhaupt gilt. Der richtige Ort also, um mehr über das Phänomen „Swing“ zu erfahren. Swing nennt man zum einen den Rhythmus,der in allen älteren Formen der Jazzmusik vorherrscht, aber auch die Tanzform, die Ende der 1920er Jahre in den USA zur Musik der Big Bands in den großen Ballsälen New Yorks entstanden ist (erschienen in der RNZ)
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